Aufgrund der lückenhaften Transparenz der Antworten des Landratsamtes Rosenheim zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in Rott am Inn, sehen wir uns gezwungen, diese Lücken zu füllen. 

Frage 1:
Warum ist die geplante Flüchtlingsunterkunft in Rott am Inn notwendig?

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Die Darstellung des Landratsamtes Rosenheim, dass es keine passenden Alternativen gäbe, ist falsch oder bestenfalls äußerst lückenhaft.

Es gibt praktikable Alternativen, die sowohl den Bedürfnissen der Flüchtlinge als auch den Gegebenheiten vor Ort besser gerecht werden könnten.

  1. Vorhandene Alternativen: Das Landratsamt hat alternative Standorte wie ein Pflegeheim mit 250 Plätzen oder voll erschlossene Grundstücke für Container mit einer Kapazität von 100 Personen an zwei konkreten Orten abgelehnt. Diese Optionen bieten nicht nur ausreichend Platz, sondern könnten auch schneller und kostengünstiger realisiert werden. Die Ablehnung dieser Alternativen wirft Fragen auf und lässt vermuten, dass eine umfassende Prüfung der Möglichkeiten nicht stattgefunden hat.
  2. Zukünftige Nutzung der Turnhalle in Bruckmühl: Die Gemeinde Bruckmühl hat bereits eine eigene Lösung zur Leerung der örtlichen Turnhalle bis 2025 gefunden. Dies bedeutet, dass nur noch Plätze für die Schutzsuchenden, die aktuelle in der Turnhalle in Raubling untergebracht sind, benötigt wird. Hier würde die von der Gemeinde Rott mit 180 Plätzen angebotene Alternative ausreichen.
    Doch nun wird mit einem weitaus höheren Bedarf von bis zu 1000 Plätzen in Erstaufnahmeeinrichtungen argumentiert, obwohl die Regierung berichtet, dass die Asylzahlen rückläufig sind. Diese Diskrepanz zwischen Bedarf und Realität ist nicht nachvollziehbar und sollte dringend hinterfragt werden.
  3. Fragwürdige Definition von "voll erschlossen": Das Objekt Am Eckfeld 10 in Rott am Inn wird als "voll erschlossen" bezeichnet, jedoch ist dies irreführend. Der Wasser- und Abwasserbedarf soll über eine ständige Nutzung des Notverbundes mit Pfaffing sowie durch mobile Toiletten und Kläranlagen gedeckt werden. Eine solche Definition von "voll erschlossen" entspricht nicht den gängigen Standards und könnte langfristig zu Problemen führen.
  4. Versäumnis des Landrats: Gemäß §246 BauGB könnte der Landrat einen eigenen Schlüssel zur Verteilung der Schutzsuchenden auf die Gemeinden festlegen und diesen in der Umsetzung verfolgen. Dieses Instrument wurde jedoch verabsäumt zu nutzen, was darauf hindeutet, dass eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Frage 2:
Bei der geplanten Unterkunft handelt es sich um eine Ankunftseinrichtung für den Landkreis Rosenheim. Was bedeutet das genau?

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Die geplante Unterkunft, die sog. „Drehscheibe“ für Schutzsuchende im Landkreis Rosenheim, wird als Ankunftseinrichtung fungieren, was bedeutet, dass sie die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge ist, die in den Landkreis zugewiesen werden. Diese Einrichtung wird voraussichtlich die letzte sein, die geschlossen wird, da sie den neu ankommenden Schutzsuchenden eine vorübergehende Bleibe bietet, während ihre Asylanträge bearbeitet werden. Was die Begrenzung der Baugenehmigung auf den 30.09.2028 fragwürdig erscheinen lässt. 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die angestrebte Verweildauer Schutzsuchender von drei Monaten in der geplanten Erstaufnahmeeinrichtung. Diese Zeitspanne erscheint jedoch fraglich, insbesondere wenn man bedenkt, dass bis 2024 nach eigenen Aussagen vom Landrat Otto Lederer keine weiteren fünf Unterkünfte gefunden wurden. Dies wirft die Frage auf, ob diese Verweildauer realistisch ist oder ob es möglicherweise zu einer Überbelegung kommen könnte. 

Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Situation nach Ende des Mietvertrages 2028. Wenn die Anzahl der Flüchtlinge weiterhin steigt und keine zusätzlichen Unterkünfte geschaffen werden, könnte dies zu einem Engpass führen. Was passiert, wenn die Unterkunft nach dem Ende des Mietverhältnisses weiter benötigt wird, aber keine Alternative gefunden werden kann? Was dann passiert, sieht man an dem Beispiel in Bamberg[1] 


[1] https://www.br.de/nachrichten/bayern/innenminister-herrmann-will-ankerzentrum-bamberg-nun-doch-nicht-schliessen,UZNnt1W

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Frage 3:
Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde kürzlich die Baugenehmigung erteilt?

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1.           Dringlicher Bedarf nicht gegeben: Die kürzlich erteilte Baugenehmigung für die geplante Unterkunft basiert auf § 246  Abs. 14 des Baugesetzbuches (BauGB). Diese Regelung besagt, dass bei „… dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, … bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden (kann)“[1].

Zunächst stellt sich die Frage, warum die von der Gemeinde angebotenen Alternativen abgelehnt wurden. Nach Aussage des Innenministeriums[2] ist „dringender Bedarf im Gebiet der Gemeinde, in der die Unterkunft entstehen soll.“  eine der Voraussetzungen für die Anwendung des Paragraphs. In dem Schreiben heißt es weiterhin, dass dies der Fall ist, wenn in der Gemeinde weniger Flüchtlinge als nach dem landesinternen Verteilungsschlüssel notwendig untergebracht sind. Dies trifft für die Gemeinde Rott nicht zu, da gemäß den letzten öffentlich zugängigen Zahlen (Stand Juli 2024)[3] für untergebrachte Flüchtlinge liegt die Gemeinde Rott am Inn mit einem Anteil von 1,21% bezogen auf die Einwohnerzahl weit über dem Durchschnitt im Landkreis Rosenheim von 0,86%.

Weiterhin heißt es in dem Schreiben des Innenministeriums, dass eine Gemeinde die ihre „Verpflichtung zur Unterbringung von Flüchtlingen erfüllt und … sie auch zukünftig die ihr zugewiesenen Flüchtlinge unterbringen (könne), könne kein dringender Unterbringungsbedarf in dieser Gemeinde bestehen.“

Da sich die Gemeinde Rott am Inn auch weiterhin bereit sieht Flüchtlinge im Rahmen ihrer Möglichkeiten und im Sinne einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge im Landkreis Rosenheim aufzunehmen, besteht der Sachverhalt des „dringende Unterbringungsbedarfs“ keineswegs.

2.          Mangelnde Wirtschaftlichkeit der Alternativen nicht nachweisbar: Die für die Ablehnung angeführte mangelnde Wirtschaftlichkeit ist nicht prüfbar, da der Mietvertrag nicht einmal dem Petitionsausschuss offengelegt wurde. Dies führt zu der berechtigten Frage: Wo bleibt die Transparenz in diesem Verfahren, Herr Landrat? Ohne Einsicht in den Mietvertrag kann das Argument der Wirtschaftlichkeit nicht geltend gemacht werden, was auch der Petitionsausschuss bestätigt hat.

3.          Zeitliche Verfügbarkeit der Alternativen gegeben: Ein weiterer Punkt ist die zeitliche Verfügbarkeit der Unterkünfte. Die geplante Unterkunft steht bereits seit über einem Jahr leer, was bedeutet, dass alternative Lösungen längst hätten in Betrieb genommen werden können. Aussagen aus der Gemeinde Bruckmühl deuten darauf hin, dass ein Bauzeitraum von nur sechs Monaten nach Erteilung der Baugenehmigung realistisch ist. 

 

4.          Fragliche Haltung führender Regierungsbeamter: Zusätzlich äußerte Regierungspräsident Dr. Konrad Schober beim Ortstermin des Petitionsausschusses, dass das geplante Baugebiet weniger wichtig sei als die geplante Unterkunft. §246 Abs.14 des Baugesetzbuches lässt hier der Regierung von Oberbayern und dem Landratsamt freie Hand sich über alle geltenden Regeln hinwegzusetzen. Die beim Ortstermin getroffene  Aussage der Regierung von Oberbayern lässt den Schluss zu, dass in Rott ein Exempel statuiert werden soll, anstatt eine ausgewogene und bedarfsgerechte Lösung für alle Beteiligten zu finden. 


[1] https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/__246.html[2] https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/baurechtundtechnik/25_baurechtl-hinweise-zu-unterkuenften-f%C3%BCr-fluechtlinge-u-asylbegehrende.pdf[3] https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP19/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/19_0002372.pdf

Frage 4:
Warum wurde die Baugenehmigung für die geplante Unterkunft durch das Landratsamt selbst erteilt?

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Die Baugenehmigung für die geplante Unterkunft in Rott am Inn wurde durch das Landratsamt Rosenheim erteilt. Ein zentrales Argument gegen diese Entscheidung ist das sogenannte Bock-Gärtner-Prinzip, das befürchtet, dass es zu Interessenkonflikten kommen könnte, wenn die Behörde selbst über Bauvorhaben entscheidet, dessen Nutznießer sie selbst sind. Diese Problematik wird durch die Bamberg-Analogie[1] untermauert, bei den ähnlichen Fällen gezeigt haben, dass eine solche Selbstgenehmigung zu einer mangelnden Objektivität führen kann.

Ein weiterer kritischer Punkt ist das Fehlen eines 4-Augen-Prinzips. In vielen Entscheidungsprozessen ist es wichtig, dass mehrere Instanzen oder Personen an der Genehmigung beteiligt sind, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Das Fehlen dieser zusätzlichen Überprüfungsebene wirft Fragen hinsichtlich der Integrität und Fairness des Verfahrens auf.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Erteilung der Baugenehmigung für das Landratsamt unter den gegebenen Umständen kritisch betrachtet werden sollte. Es ist entscheidend, dass alle Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sind, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung zu stärken und mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden.


[1] https://www.br.de/nachrichten/bayern/innenminister-herrmann-will-ankerzentrum-bamberg-nun-doch-nicht-schliessen,UZNnt1W

Frage 5:
Was ist mit den Alternativvorschlägen der Gemeinde Rott?

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Im Petitionsausschuss wurde ausdrücklich für eine erneute Prüfung der von der Gemeinde angebotenen Alternativen plädiert. Dies deutet darauf hin, dass es möglicherweise noch nicht alle Optionen ausreichend berücksichtigt wurden, bevor die Entscheidung zur Erteilung der Baugenehmigung getroffen wurde. 

Die mangelnde Wirtschaftlichkeit, die von der Regierung von Oberbayern und dem Landratsamt Rosenheim angeführt wird ist nicht nachvollziehbar (siehe Antwort Frage 3).

Die Tatsache, dass diese Alternativen nicht in die Entscheidungsfindung einflossen, könnte als Widerspruch zum Beschluss des Petitionsausschusses interpretiert werden. Es ist wichtig, dass alle vorgeschlagenen Lösungen transparent geprüft werden, um sicherzustellen, dass die beste und nachhaltigsten Entscheidung für die Gemeinde getroffen wird. 

Insgesamt sollte die Verwaltung sicherstellen, dass alle relevanten Vorschläge angemessen gewürdigt werden, um das Vertrauen in den Entscheidungsprozess zu stärken und mögliche Unstimmigkeiten zu vermeiden.

Frage 6:
 Widerspricht die Baugenehmigung dem Beschluss des Petitionsausschusses?

Frage 7:
Was genau hat der Petitionsausschuss beschlossen?

Frage 8:
Gab es darüber hinaus Empfehlungen?

Frage 9:
Hat der Petitionsausschuss auch über ein zweites Quecksilbergutachten beraten?

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Widerspricht die erteilte Baugenehmigung dem Beschluss des Petitionsausschusses? Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, die genauen Inhalte des Beschlusses des Petitionsausschusses zu betrachten. 

Der Petitionsausschuss hat beschlossen, dass eine stufenweise Belegung bis zu maximal 270 Flüchtlingen erfolgen soll. 

Zudem wurde der Mietvertrag auf den 30.09.2028 befristet. 

Darüber hinaus gab es dringende Empfehlungen, die für die weitere Entscheidungsfindung in der Regierung von Oberbayern und dem Landratsamt Rosenheim von Bedeutung sein sollten: 

  1. Es wurde empfohlen, ein zweites Quecksilbergutachten mit Materialprüfung durchzuführen, das über die bisherigen Luftmessungen hinausgeht.
  2. Der Ausschuss forderte dringend, die von der Gemeinde angebotenen Alternativen zu prüfen.
  3. Außerdem wurde angeregt, die Anregungen aus dem Konzept „Modellregion Rosenheim (MoRo)“ als Material für zukünftige Gesetzesvorlagen zu verwenden.

Die Sprecherin für Bau der Grünen, Ursula Sowa (MdL), äußerte sich zudem kritisch und stellte fest, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Baugenehmigung die Empfehlungen und Beschlüssen des Petitionsausschusses nicht vollumfänglich würdigt, insbesondere wenn man die geforderten Prüfungen berücksichtigt. 

Noch eine Anmerkung mit Hinblick auf die vom Landratsamt beschworene „Transparenz“:
 die Baugenehmigung wurde am 18.12.2024 vom Landratsamt Rosenheim erteilt.
 Am selben Tag, dem 18.12.2024 wurde erst das Protokoll des Petitionsausschusses erstellt.
 Wie kann das Landrats Rosenheim behaupten, die Beschlüsse und Empfehlungen des Petitionsausschusses umzusetzen, wenn das Protokoll am Tag der Erteilung der Baugenehmigung noch nicht offiziell vorlag? 

 

Frage 10:
Welche Haltung hat das Landratsamt zur angekündigten Klage der Gemeinde Rott? 

Frage 11:
Was bedeutet eine Klage beziehungsweise ein Eilantrag für die laufende Planung der Unterkunft? 

Frage 12:
Was bedeutet die Klage der Gemeinde Rott am Inn für den Landkreis Rosenheim, und wie wird das Landratsamt darauf reagieren?  

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Das Landratsamt Rosenheim sieht sich einer zunehmenden Anzahl von Klagen gegen seine Entscheidungen konfrontiert. Es wird kritisiert, dass ein gleichbleibendes Vorgehen verfolgt wird, bei dem Gemeinden vor vollendete Tatsachen mit Verweis auf den §246 Abs.14 BauGB gestellt werden, anstatt den Dialog mit den betroffenen Gemeinden zu suchen. Stattdessen setzt das Landratsamt Rosenheim auf das Prinzip "Ober sticht Unter", was erhebliche Risiken für sozialen Unfrieden birgt und auch willige Gemeinden vor den Kopf stößt.

Zunehmend fühlen sich die Gemeinden durch das Vorgehen des Landratsamtes überfordert und sehen ihre kommunale Hoheit als übergangen an. Dies zeigt sich auch in anderen Klagen im Landkreis, wie beispielsweise in Stephanskirchen, Feldkirchen-Westerham und Riedering, wo ähnliche Probleme aufgetreten sind. In diesen Fällen wurde ebenfalls ein Vorgehen beobachtet, das vollendete Tatsachen schafft und zu einer "Überforderung" der betroffenen Gemeinden führt.

Insgesamt deutet die Haltung des LRA darauf hin, dass es dringend notwendig ist, einen konstruktiven Dialog mit den Gemeinden zu führen, um zukünftige Konflikte zu vermeiden und eine bessere Zusammenarbeit zu gewährleisten.